Abstimmungssonntag
Das Stimmcouvert per Post verschicken – ein Gratisangebot, das viele Aargauer ausschlagen

Aargauer können ihre Abstimmungscouverts kostenlos einwerfen – trotzdem ist die Beteiligung in den Nachbarkantonen höher. Warum eigentlich?

Manuel Bühlmann
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Das Abstimmungscouvert

Das Abstimmungscouvert

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Wer am Sonntagmorgen noch abstimmen will, dem bleibt nur noch der Gang an die Urne. Die grosse Mehrheit der Stimmberechtigten hat die Abstimmungsunterlagen allerdings bereits bequem per Post geschickt.

Gratis in den nächsten Briefkasten werfen dürfen die Aargauerinnen und Aargauer ihr Kuvert, die Wohngemeinde übernimmt das Porto. Ein Service, der nicht die Regel ist – wie eine Umfrage bei den Nachbarkantonen zeigt: Ob die Stimmberechtigten eine Marke kaufen müssen oder nicht, ist überall anders geregelt.

Zug und Zürich verschicken vorfrankierte Kuverts; in Solothurn hingegen lautet die Regel: Wer den Postweg wählt, muss selbst bezahlen.

In den Kantonen Basel-Landschaft, Bern und Luzern ist der Entscheid den Gemeinden überlassen.

Die Mehrheit der Berner etwa muss in die eigene Tasche greifen: Einige wenige Gemeinden bieten diesen Service an.

Überrascht von den kantonalen Unterschieden zeigt sich Daniel Kübler, Politologe und Leiter des Zentrums für Demokratie in Aarau: «Mir war nicht bekannt, dass der Versand nicht in allen Kantonen gleich gehandhabt wird.»

Dafür gebe es keinen ersichtlichen Grund, sagt Kübler. Er plädiert für eine einheitliche Regelung: «Würde in allen Fällen das Porto durch die Gemeinden übernommen, wäre das am einfachsten.»

So unterschiedlich wie die Porto-Regelungen fallen auch die Einschätzungen über deren Auswirkungen aus.

Im Kanton Zug heisst es auf Anfrage: Seitdem die Unterlagen gratis zurückgeschickt werden können, sei die Stimm- und Wahlbeteiligung tendenziell gestiegen.

Und im Aargau lautet die Antwort auf die Frage, ob sich der Gratisversand auf die Beteiligung auswirke: Es werde davon ausgegangen.

Zu einem anderen Urteil kommt man im benachbarten Kanton Luzern. Dort geht man davon aus, dass die Übernahme des Rücksendeportos die Stimmbeteiligung nicht erhöht.

Ähnlich tönt es in Solothurn: Eine positive Auswirkung vorfrankierter Kuverts habe bis jetzt nicht belegt werden können.

Ein Blick auf die Statistik der letzten Jahre ergibt kein eindeutiges Bild. Einerseits weisen zwar die Kantone Zug und Zürich – wo die Gemeinden wie im Aargau die Portokosten übernehmen – überdurchschnittlich hohe Werte auf. Andererseits liegt die Stimmbeteiligung im Aargau unter dem Schweizer Durchschnitt.

Über die letzten fünf Jahre hinweg erreichte sie 42,9 Prozent – fast drei Prozentpunkte unter dem landesweiten Wert.

Damit liegt der Aargau auch hinter den Solothurner Nachbarn zurück, die in den eigenen Sack greifen müssen, wollen sie auf dem Postweg abstimmen.

Wissenschaftlich untersucht wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen Portokosten und Stimmbeteiligung bislang nicht.

Politologe Daniel Kübler: «Ein Einfluss auf das Stimmverhalten ist nicht ausgeschlossen, allerdings sind andere Faktoren deutlich wichtiger.»

Generell gelte: In kleineren Kantonen ist die Beteiligung an Wahlen und Abstimmungen höher.

Eine Rolle spiele auch die direkte Betroffenheit, sagt Kübler. Die Gotthard-Röhre etwa dürfte mehr Urner und Tessinerinnen an die Urne locken als Jurassier oder Genfer.

Zentral ist ausserdem die Mobilisierung durch Gegner und Befürworter im Vorfeld einer Abstimmung – ein Effekt, der diesen Sonntag besonders wegen der Durchsetzungsinitiative zu spüren sein wird.

Deutlich mehr Stimmberechtigte als üblich dürften ihre Stimme abgeben. «Es gibt Hinweise auf eine rekordhohe Beteiligung am Sonntag», sagt Kübler.

Auch die Aargauer Gemeinden erwarten überdurchschnittlich hohe Zahlen. In Rheinfelden, wo die Quote normalerweise zwischen 35 und 40 Prozent liegt, werden diesmal bis zu 60 Prozent erwartet. Die Zofinger rechnen mit über 60 Prozent – ein Wert, der in Aarau bereits am Freitag überschritten war.

Und in Wettingen heisst es auf Anfrage: «Wir werden deutlich über 60 Prozent kommen.»

Zum Vergleich: An der Rekord-Abstimmung der letzten Jahre über den Gripen-Kauf beteiligten sich 58,95 Prozent der Wettinger Stimmberechtigten.

Eine höhere Beteiligung sei aber nicht zwangsläufig besser für die Demokratie, sagt Kübler.

«Gehen viele Leute schlecht informiert abstimmen, ist nichts gewonnen.» Für diesen Sonntag ist der Politologe aber zuversichtlich: Nach dem intensiven Abstimmungskampf geht er davon aus, dass sich die Mehrheit über die Folgen ihres Entscheids im Klaren ist und diesen reiflich überlegt hat.